Mit The Night Ocean (Das Nachtmeer) besprechen wir einen Text, über den lange Zeit Unklarheit herrschte. So wurde erst anhand des Manuskriptfunds vor einigen Jahren deutlich, dass Lovecrafts Anteil an dieser Kollaboration viel geringer war, als bis dahin angenommen. Wie auch immer – herausgekommen ist eine höchst atmosphärische Erzählung, in der das Meer nicht einfach nur Teil der Landschaft ist, sondern in seiner sich ewig wandelnden Urgewalt dem Seelenzustand des Protagonisten Ausdruck zu verleihen scheint.
16. Oktober 2023 um 21:44 Uhr
Danke für die neue Folge!
Ich hatte mir die Geschichte schon im Vorfeld rasch mal eben nebenbei von Herrn Schweizer vorlesen lassen wollen, musste aber genau das erleben, was Ihr auch in der Folge beschreibt: Es ging alles komplett an mir vorbei.
Erst nach Axels Zusammenfassung, wusste ich, worum es ging.
Alles ist besser mit den Arkham Insiders!
Lovecraft and Barlow
The Night Ocean
englischer Text auf hplovecraft.com :
https://www.hplovecraft.com/writings/texts/fiction/no.aspx
Auf englisch gelesen von „AI Ranni the Witch“ hier:
https://youtube.com/watch?v=b3loYt9E-nk
Das Nachtmeer
deutsch gelesen von Gregor Schweitzer (GM-Factory):
https://youtube.com/watch?app=desktop&v=XPiwpVsbF5M
Ein sehr reichhaltiger Artikel über “The Night Ocean” im „Deep Cuts in a Lovecraftian Vein“-Blog
https://deepcuts.blog/2021/06/05/the-night-ocean-1936-by-r-h-barlow-with-h-p-lovecraft/
Ein weiterer Artikel über „The Nght Ocean“ im Blog „Too Much Horror Fiction“:
http://toomuchhorrorfiction.blogspot.com/2020/10/favorite-horror-stories-night-ocean-by.html
Ein Leser besagten Artikels hat dor als Antwort den Hinweis auf das Buch
‘The Night Ocean’ von Paul La Farge ( https://www.americanacademy.de/person/paul-la-farge/ ), das Lovecraft und Barlow fiktionalisiert behandelt (Schöne Grüße an Petra Grell! 🙂 )
Das Buch gibt es bei Amazon:
https://www.amazon.de/-/en/Paul-Farge/dp/1101981083
Hier ein Artikel über das Buchvon Paul La Farge:
https://www.seattletimes.com/entertainment/books/paul-la-farges-the-night-ocean-untangles-writers-elusive-final-chapter/
Hier ein Review des Paul La Farge -Buchs auf der Homepage der H.P. Lovecraft Historical Society:
https://www.hplhs.org/reviews_nightocean.php
Artikel der Deutschen Lovecraft Gesellschaft über „Das Nachtmeer“
https://www.deutschelovecraftgesellschaft.de/wiki/entry-pdf-export/531-night-ocean-the/
Barlow in der Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_H._Barlow
In dem Buch „Geheimnisvoll am lichten Tag“ von Carl Gustav Carus ( https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gustav_Carus ) gibt es ein Kapitel über die „Symbolik der Hand“:
https://www.projekt-gutenberg.org/carus/geheim/chap010.html
Wikipedia-Artikel über das Buch „Walden“ von Thoreau:
https://de.wikipedia.org/wiki/Walden
„Walden“ im deutschen Projekt Gutenberg:
https://www.projekt-gutenberg.org/thoreau/walden/index.html
Algernon Blackwood in der deutschen Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Algernon_Blackwood
Wikipedia-Artikel über das Buch „Doktor Faustus“ von Thomas Mann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Doktor_Faustus
Adorno
https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_W._Adorno
Der Lovecraft Zirkel erschien erst im Blitz, dann als Neuaflage im FESTA Verlag. Beide Ausgaben sind vergriffen und nur noch für viel Geld Second Hand zu haben:
https://www.amazon.de/Lovecraft-Zirkel-Howard-Phillips-Lovecraft/dp/3932171896/ref=tmm_pap_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=
„Gefährten der Nacht“
ISFDB: https://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?608504
Amazon: https://www.amazon.de/Gef%C3%A4hrten-Nacht-Joachim-Hrsg-Alpers/dp/B002AF503A/ref=sr_1_1?keywords=Gef%C3%A4hrten+der+Nacht+Alpers&link_code=qs&qid=1697485175&sourceid=Mozilla-search&sr=8-1
Greetings
Funduke
18. Oktober 2023 um 13:12 Uhr
Auf diese Besprechung habe ich mich gefreut und es ist sehr gut, dass Ihr über ‚The Night Ocean‘ so angeregt diskutiert und nicht einhelliger Meinung seid. Das spricht, meines Erachtens, für die Fähigkeit der Geschichte, zu polarisieren und macht sie entsprechend interessant.
Ich selbst finde sie sehr faszinierend und stimmungsvoll, gerade weil sie weniger auf einer intellektuellen Ebene daherkommt, sondern schemenhaft und subtil das Unterbewusste anspricht.
Das gerade dieser Ansatz auch überspannt und prätentiös wirken kann, nehme ich dabei durchaus wahr. Es ist wohl ein Tanz auf der Rasierklinge, der nur durch die angemessene Stimmung des Lesers in Balance gebracht werden kann.
Besonders stark finde ich die mächtigen, bildlichen Vergleiche, mit denen Barlow hier in den Beschreibungen arbeitet, und welche wohl dem Auge des darstellenden Künstlers geschuldet sind.
Gerade diese metaphorische Sprache empfinde ich äußerst anregend und inspirierend. Daher ist die Erzählung auch eine meiner liebsten, um sie beim Zeichnen nebenherzuhören.
Anbei ist das eine der wenigen Beschäftigungen, welche sich nicht nur mit dem Erlauschen eines Hörbuchs vertragen, sondern bisweilen sogar auf kreativer Ebene korrespondieren können.
Vom psychologischen Aspekt her ist ‚The Night Ocean‘ in der Tat mannigfaltig interpretierbar.
Das archetypische Sinnbild des Meeres spracht Ihr ja bereits an. Hier wäre es auch, gerade auf die vermutlich hochsensible Gemütswelt des Autors und Künstler bezogen, als der oftmals finstere und chaotische Abgrund einer makabren Kreativität deutbar, zu welchem der schaffende Geist immer wieder gezwungen ist, zurückzukehren, um mit neuen Inspirationen daraus hervorzusteigen, sich stets der Gefahr bewusst, dass er sich eines Tages in den ungeahnten, amorphen Schrecken des Abyssus verlieren und nicht mehr daraus zurückfinden könnte.
Bei Lovecraft ist dieser Realitätsbezug spürbar in der immer gegenwärtigen Angst vor dem Wahnsinn, dem Verlust der geistigen Kräfte, vermutlich geprägt durch das Schicksal seines Vaters.
Bei Robert H. Barlow findet diese geistige Intensität tragische Endgültigkeit im Suizid des Autors, vermutlich bedingt durch Depressionen und eine, aufgrund seiner Sexualität ihm feindlich gesonnene Umwelt.
Die Geschichte selbst, welche ausschließlich durch die Wahrnehmung des Betrachters gefiltert auf den Leser kommt und sich nicht um objektive Darstellungen bemüht, wirkt in ihrem Impressionismus erstaunlich modern auf mich, ihrer Zeit um ca. 30 Jahre voraus. Meines Erachtens ist sie ein Beispiel für die Weiterentwicklung des lovecraftschen Horrors, in welcher Atmosphäre und die lauernde Furcht vor dem Unfasslichen widerhallen, aber immer weiter stilisiert werden und sich mehr und mehr in den Geist des Protagonisten zurückziehen. Der implizierte Schrecken bleibt gesichtsloser, psychischer Natur. Die Realität wird auf persönlicher Ebene in Frage gestellt, bis sie zur Gänze in alptraumhafter Paranoia verschwimmt.
Als Beispiel für diese Schule von Lovecraft-Epigonen, welche aus der Kopie des Meisters heraus ihren ganz eigenen Stil entwickeln konnten, möchte ich an dieser Stelle noch den von mir hochgeschätzten Ramsey Campbell nennen.
Vergleichbare Erzählstrukturen, die sich mehr durch Abwesenheit solcher auszeichnen und stattdessen auf einer verstörenden Flut bizarrer Bilder, surrealer Ereignisse und Stimmungen beruhen, finden sich meines Erachtens in Don Coscarellis Film ‚Das Böse‘ (‚Phantasm‘, 1979) sowie auch und gerade in den Werken David Lynchs.
Insbesondere an dessen Film ‚Blue Velvet‘ (1986) musste ich bei der Lektüre von ‚The Night Ocean‘ denken, da mich die Szene, in welcher der Erzähler eine verwesende Hand am Gestade findet, an besagten Film erinnerte, dessen Ereignisse erst durch den Fund eines abgeschnittenen Ohrs in Gang geraten.
Ähnlich fiebertraumartig geht es auch in ‚Reflecting Skin (‚Schrie in der Stille‘, Philip Ridley, 1990) zu, wo der Hauptdarsteller einen gefundenen, mumifizierten Fötus für einen Engel hält.
Auffällig ist bei diesen Filmen, dass die Protagonisten alle noch sehr jung, höchstens im Teenageralter sind, was ebenfalls einen Bezug zu dem frühreifen Barlow herstellt und Ausdruck für das verletzliche, kindliche Gemüt sein könnte, welches verwirrt und fasziniert über die oberflächliche Realität des Alltags hinausschaut, dabei jedoch auch stets von schattenhaften Mächten auf der ‚anderen Seite‘ wahrgenommen und angegriffen werden kann.
Wie der Wanderer am Meeresgestade, der immer fürchten muss, dass etwas Unnennbares aus den schwarzen Wellen emportauch und ihn in die Tiefe zieht.