„The Thing on the Doorstep ist eine massive und in ihrer Genreverhaftung ‚reine‘ Horrorstory mit beklemmenden Bildern und einem Hinter- bzw. Untergrund elementarer Ängste […]“ schreibt Marco Frenschkowski in seiner Einleitung zu der Geschichte (in: Howard Phillips Lovecraft: Chronik des Cthulhu-Mythos. Band II. Festa Verlag. Leipzig 2011, S. 295). Tatsächlich dürfte dieser motivische Hinter- bzw. Untergrund den meisten Leser*innen am stärksten in Erinnerung bleiben. Stärker als vielleicht die Bezüge zum Cthulhu-Mythos – welche die Story freilich auch zu bieten hat. Nichtsdestotrotz erscheint Lovecrafts schwarzmagisches Programm eher der Oberfläche verhaftet und dringt kaum zum eigentlichen Schrecken durch – den der „angefochtenen Identität“, wie Frenschkowski so treffend schreibt.
In diesem Podcast unterhalten wir uns über Franz Kafka, Arkham und Innsmouth, Krefeld und Duisburg … und kommen doch immer wieder auf Lovecraft und Das Ding auf der Schwelle zurück.
13. Juni 2021 um 16:11 Uhr
Danke ein weiteres Mal für Eure Arbeit. Und eine sehr schöne Titelillustration dazu, chapeau!
‚Das Ding auf der Schwelle‘ hat mich beim ersten Lesen vor langer Zeit im ersten Teil sehr gut unterhalten. Der spannende Geistestausch und besonders das kunterbunte Treiben der Dämonenkirmes unter Neuengland las ich damals, als horrorbegeisterter aber noch unerfahrener Jugendlicher, nicht einfach weg, sondern eher doppelt und dreifach, um die irrwitzigen Szenen dann nachzuzeichnen. Vermummte Gestalten, Shoggothen, blökende Dinge auf Altären, Kamog… Ich liebe ja gerade diese rasante Melange aus kosmischem und Folk-Horror (wie man es heute nennt), die Lovecraft hier, wie auch in ‚Der Schrecken von Dunwich‘,‘Träume im Hexenhaus‘ und nicht zuletzt ‚Der Ruf des Cthulhu‘ kredenzt.
Umso verstörender fand ich dann den Plot Twist. Der Gedanke, dass etwas Totes am eigenen Geiste zerrt und man sich eines Tages plötzlich in einem Haufen verwesenden Fleisches und aufgeweichter Knochen wiederfindet, statt im eigenen Körper, setzte mir emotional arg zu und sorgte für schlaflose Nächte.
Über die Jahre kam dann natürlich die objektivere Analyse hinzu und die deckt sich ganz stark mit der Euren: Angst vor dem Verlust, bzw. der Manipulation, oder dem völligen Kollaps der eigenen Identität, welche bei HPL ja immer wieder als Topos in unterschiedlichen Ausformungen auftritt, ob beispielsweise im Schicksal Arthur Jermyns oder des Erzählers aus ‚Schatten über Innsmouth‘.
Vielleicht sind dies Echos jenes Traumas, welches der Zusammenbruch und ‚Wahnsinn‘ seines Vaters im kleinen Howard hinterlassen haben, und ein Umgehen mit der Angst davor, dass ihm einstmals das Gleiche widerfahren könnte.
Wie ihr schon sagtet, scheint HPL sich hier tatsächlich nochmals bei den Klassikern inspiratives Rüstzeug geholt zu haben, was ich unter anderem daran festmachen wollen würde, dass die Beschreibung des titelgebenden Dinges mir wie die eines unglücklichen Zwillings dessen erscheint, was in M. R. James Geschichte ‚The Treasure of Abbot Thomas‘ aus einem Loch in einer alten Kellermauer befreit wird.
Was die eigene Heimatstadt und Umgebung als Schauplatz kosmischen Schreckens angeht, so dachte ich eigentlich seit Stephen King und Ramsey Campbell, dass jeder Jünger Lovecrafts dies – zumindest zu Beginn – genauso handhabt.
Auch ich habe meine rheinische Kleinstadt (bzw. eine sinistere Version davon) als Bühne für Horrorgeschichten herhalten lassen und bei Bedarf die Handlungsstränge über Wuppertal und Solingen hinweg ins rustikale, Bergische Hinterland ausgedehnt, oder ein paar Kilometer den Rhein hinauf nach Leverkusen, wo seit über hundert Jahren unter allzu dünner Krume eine der der größten Giftmülldeponie der Welt brodelt, in deren Eingeweiden wer weiß was entstanden sein mag.
Gerade dieses Hernehmen der eigenen Heimat und ihr ein schattenumflortes, abgründiges Denkmal zu setzen, empfand ich immer als eine der unverrückbaren Säulen in Lovecrafts Mythenkonstrukt und als besten Startpunkt, um die eigene Fantasie tanzen zu lassen.
14. Juni 2021 um 07:10 Uhr
Hallo Nils,
besten Dank für deine Anmerkungen! Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, wann ich die Geschichte erstmals las. So weiß ich beim besten Willen nicht mehr, welche Gedanken und Vorstellungen sie mir zuerst brachte … aber wenn sie Dir schlaflose Nächte beschert hat, so ist das gewiss in Lovecrafts Sinn gewesen!
Und natürlich ist es schön zu lesen, dass Du Rheinland und Bergisches Land mit Deinen eigenen Schrecken bevölkerst. Ich sehe schon, wir nähern uns auch räumlich immer mehr an. Vielleicht stellen wir ja tatsächlich mal ein HörerInnen-Treffen auf die Beine, diesseits oder jenseits des Rheins.
Viele Grüße
Axel
19. Juni 2021 um 15:00 Uhr
Eine akademische Exkursion der Miskatonic Fernuniversität ins niederrheinische Flachland des Wahnsinns? Hätte was.
Friedhofsbesuche mit WLAN an besonders alten Gräbern und Picknick á la Pickman. Shoggothenreiten auf der Düsseldorfer Kirmes, Vergleich genealogischer Daten mit anschließendem Wettschwimmen in einem abgelegenen Flußarm und zu fortgeschrittener Stunde über die Farbe aus dem Alt philosophieren.
Klingt spannend.
Und mehr Kalauer fallen mir gerade wirklich nicht ein.
Beste Grüße,
Nils
16. Juni 2021 um 12:08 Uhr
Hallo Nils,
bist Du im Forum der dLG unterwegs? Und falls ja, unter welchem Namen? Ich konnte Dich bisher nicht identifizieren, würde aber gerne mehr über Deine rheinischen Geschichten erfahren!
LG
John
13. Juni 2021 um 23:36 Uhr
Cooles Bild! Ich kann die Signatur nicht gut erkennen. Von Dir, Axel?
14. Juni 2021 um 07:03 Uhr
Freut mich, wenn’s gefällt – ja, ist von mir.
Viele Grüße
Axel
14. Juni 2021 um 17:40 Uhr
Ich kann meine Begeisterung darüber nicht zum Ausdruck bringen, dass Sie beide einen Tag, bevor ich sie mir mal wieder anhören wollte eine Folge über meine absolute Lieblings Story vom verehrten Meister Hochladet.
Kann mich daher nur wärmstens oder bei den aktuell vorherrschenden Temperaturen eher kältestens Bedanken!
Gez.
M. Wilhelm Dietrich
14. Juni 2021 um 20:36 Uhr
Hallo Herr Dietrich,
das freut uns zu hören! Viel Spaß mit der Story und (hoffentlich) mit unserem Podcast.
Viele Grüße
Axel
16. Juni 2021 um 13:20 Uhr
Sofern das Angebot Beziehungsweise der Plan mit einer „Stadtführung“ noch aktuell ist oder irgendwann einmal zu einer Ausführung kommt, stünde ich gerne bereit. Wohne ja selbst auch nicht weit weg. Komme aus Hagen, welches auch ein wenig Raum für die ein oder andere Mythos Geschichte liesse.
Mit besten Wünschen
M. Wilhelm Dieteich
19. Juni 2021 um 21:21 Uhr
Vielen Dank für die schöne und unterhaltsame Folge.
Ich habe die deutsche Fassung von Arkham Unveiled als wohlfeile PDF-Version beim Pegasus Verlag gefunden:
CTHULHU: Arkham – Hexenstadt am Miskatonic
für 12,95 €
https://www.pegasusdigital.de/product_info.php?products_id=115633&term=arkham&site=¤cy=EUR&products_id=115633
Die Datei ist individualisiert als „Watermarked PDF“: Mein Name und die nummer der Bestellung werden als Wasserzeichen am unteren Rand jeder Seite angezeigt.
Gedruckt ist es vergriffen und bei Ebay nur zu sehr hohen Preisen zu haben.
Greetings
Funduke
21. Juni 2021 um 07:37 Uhr
Besten Dank für den Hinweis!
29. Juni 2021 um 09:37 Uhr
Etwas spät, aber dennoch mit Nachdruck: Führung machen! Es kann nicht tot sein, was ewig auf dem Planstapel liegt.