Wir sind ja immer geneigt, selbst bei schlechten Geschichten noch etwas Gutes entdecken zu wollen. Bei Ashes (dt. Asche) aus der Feder von C. M. Eddy, jr. fällt uns das jedoch schwer. Der Anteil von Lovecrafts Mitarbeit dürfte hierbei sehr gering ausgefallen sein. Es handelt sich um eine typische Pulp-Story um einen verrückten Wissenschaftler, der eine Massenvernichtungswaffe erfindet … um dann irgendwann selbst die Augen auf Null zu stellen. Eingeflochten ist noch eine Romanze und, als ob das noch nicht genug wäre, gibt es auch noch ein Happy End! Na ja, Augen zu und durch.
Shownotes
- GM Factory/Gregor Schweitzer: Asche
- Ashes.By C. M. Eddy, Jr. with H. P. Lovecraft
21. Februar 2022 um 17:59 Uhr
Essays… ich wird‘ noch ganz rot hinter den Kiemen.
Das sind nur jene reflexartigen Ergänzungen und Zwischenrufe, die ich irgendwann angefangen habe notdürftig zusammenzuschreiben, als mir klar wurde, dass ein aufgezeichneter Podcast allenfalls bedingt dazu taugt, sich an einer spontanen Unterhaltung zu beteiligen.
Und zum Schweigen sind Eure Analysen einfach viel zu inspirierend und anregend.
Zur vorliegenden, tatsächlich dürftigen Geschichte, habe aber auch ich nur ein paar magere Gedanken beizusteuern. Bei C.M. Eddy, jr. beschleicht einen immer wieder das Gefühl, er habe einen Geistesblitz gehabt – eine starke Szene oder eine spannende Situation – war dann aber zu behäbig oder zu unfokussiert, um eine tragfähige Geschichte darum herum zu spinnen. Seine Konstrukte haben so viele Risse und Aussparungen an entscheidenden Stellen, dass selbst die stilsichere Tünche eines H.P. Lovecraft bereits beim Auftrag beginnt, wieder abzublättern.
Gerade die vorliegende Story hätte vielleicht eher funktioniert, wenn sie nicht den ‚Weird‘-Faktor betonen würde, sondern mit Action angereichert, auf einen explosiven Klimax hin zugespitzt worden wäre. Das hätte sie zwar auch nicht zu einem Meisterwerk gemacht, aber immerhin zu einem veritablen Pulp-Reißer, der die hundertfach erprobte Blaupause des 50er/60er Jahre Science Fiction-Horror-Films der B (eher C bis F) Kategorie vorwegnehmen würde.
Unter diesem Gesichtspunkt würde ich sogar in Erwägung ziehen, dass die Struktur der Geschichte als Nacherzählung, bzw. Geständnis einem Freund gegenüber, welches dann handlungstechnisch in die Gegenwart überleitet, von Lovecraft selbst stammen oder zumindest beeinflusst sein könnte, der sich bekanntermaßen auf eine solche Konstruktion weit besser verstand als auf Noir mäßige Spannung und Aktionismus. Das ist aber zugegebenermaßen eine sehr gewagte Vermutung, da ich von Eddy, jr. zu wenig kenne, um ein wirkliches Gefühl für dessen Stil zu haben.
Die Frage nach der persönlichen Hitliste verrückter Wissenschaftler ist spannend, jedoch ein wenig problematisch, da dieser erzählerische Topos ja so dermaßen überbordend und in unterschiedlichster Qualität bedient wurde und wird, dass die Auswahl verdammt schwerfällt.
Lassen wir mal Dr. Herbert West, Tillinghast und andere vertraute Giganten der Literatur seit Victor Frankenstein außen vor.
Dr. Strangelove und Doc Brown habt Ihr bereits genannt.
Als eigene Kategorie schätze ich Professor Farnsworth aus ‚Futurama‘ sehr, da er, als fein beobachtete Parodie, so viele Genretypen in sich vereinigt und mal kauziger aber genialer Schussel, mal ‚Zerstörer von Welten‘ sein kann.
Etwas unspektakulärer aber dafür umso beklemmender empfinde ich hingegen Mathilde von Zahnd, die Leiterin des Sanatoriums aus Friedrich Dürrenmatts ‚Die Physiker‘.
Aber ich denke, ich werde an dieser Stelle nonchalant eine Lanze für den klassischen deutschen Horror-Pulp brechen und das Werk Jürgen Grasmücks (alias Dan Schocker) lobpreisen, insbesondere die ‚Larry Brent‘ Groschenroman- und Hörspielreihe.
Bei allen qualitativen Herausforderungen hatte dieser Autor, wie ich finde, ein beispielloses Talent dafür, wirklich widerliche, skrupellose Wissenschaftler-Charaktere zu erschaffen, deren monströses Treiben einem Magen und Moralempfinden umdrehen konnte – insbesondere, wenn man mal wieder viel zu jung war, als dass man mit diesen Geschichten überhaupt hätte in Kontakt kommen sollen.
Wer für mich da besonders aus dem Kollegium solch illustrer Gestalten wie Dr. Gorgo, Professor Wung oder Dr. Satanas hervorsticht ist der gewissenlose Arzt Dr. Funner, aus der Geschichte ‚Atomgespenster‘, welcher auf der gleichnamigen Europa Vertonung kongenial von Günter Pfitzmann gesprochen wurde. Zu real war hier die Bedrohung, zu nachvollziehbar und glaubhaft der erschütterte, geistesgestörte Antagonist, als dass es mich selbst heute noch ungerührt lassen könnte.
Sollte Euch diese Horrorserie unbekannt sein, spreche ich hier nun wahrscheinlich in Rätseln. Aber irgendwie glaube ich, Ihr (und hoffentlich so mancher Mitleser hier) wisst, worum es geht. Ansonsten gibt es das besagte Hörspiel garantiert im Netz – und ich wünsche viel Spaß damit.
Abschließend bleibt nur noch zu sagen, dass Ihr die Talsohle meiner Meinung nach leider noch nicht erreicht habt. Nicht bevor Ihr Euch durch ‚Das Haar der Medusa‘ von Zealia Bishop gekämpft habt, das ich schon einmal zähneknirschend erwähnte.
Keine andere Geschichte aus dem Bereich des Fantastischen, an der HPL beteiligt war, hinterlässt mich so enttäuscht und ehrlich verärgert, wie diese.
Als Anregung: als ich mich vor einiger Zeit durch Gregor Schweitzers (natürlich trotz allem großartig vorgetragene) Version dieser Story lauschte gab es eine Szene, wo ich prompt dachte: ich weiß genau, was Mirko an dieser Stelle sagen würde. Bin gespannt, ob ich da richtig lag.
Also Glück auf in den düsteren Stollen, die sich noch vor Euch auftun werden.
Aber was auch immer Euch und uns noch bevorsteht, ich bin sicher, Ihr werdet etwas höchst Hörenswertes daraus machen.