Wahrscheinlich im Sommer 1932 geschrieben, wurde The Winged Death (Flügel des Todes) zuerst im März 1934 in Weird Tales veröffentlicht. Tatsächlich hatte Hazel Heald – die sich hier einmal mehr der Ghostwriter-Dienste Lovecrafts versicherte – die Story zuerst (erfolglos) bei dem kurzlebigen Magazin Strange Tales eingereicht.
Die Geschichte um einen besessenen Wissenschaftler, der Fliegen kreuzt, um sie zum Überbringer der tödlichen Schlafkrankheit zu machen, erinnert mit dieser Idee entfernt an The Last Tast. Obwohl sorgfältig konstruiert und logisch aufgebaut, wirkt das Ganze im Endeffekt etwas unbefriedigend. Wir haben jedenfalls den Eindruck, dass Lovecraft wieder einmal zu viel erzählt und Dinge ausformuliert hat, die vielleicht besser ungesagt geblieben wären …
29. Januar 2023 um 17:05 Uhr
Hallo ihr beiden,
mal wieder eine wunderbare, intelligent-unterhaltsame Folge!
Eine kritische Anmerkung allerdings: In dem wirklich sympathischen und ehrenhaften Bemühen, aus heutiger Sicht rassistische Begriffe zu kritisieren, argumentiert ihr wider die Historie.
Meine Quelle: Anti-colonial Studies an der Anglistik bei der indischen Gastdozentin Anila Gupta (mehrere Semester), Black Studies auch in der Kunstgeschichte, FU Berlin 1990er.
Das heute gültige, antirassistische ‚Black‘ ist erst seit den 1960ern/70ern im Zuge der Black Panther-Bewegung positiv konnotiert bzw. von Schwarzen gefordert. Der davor geforderte / positive Begriff war ‚Negro‘ – dies in selbstbewusster Absetzung von ‚Coloured‘ [das ursprünglich als Verbesserung zu ‚Black‘ gesehen wurde (!), da es die gesamte Bandbreite der ethnischen Herkünfte bzw. auch Kinder aus mixed relationships angemessen und nicht-hierarchisch repräsentiere]. In der Zeit der modernen Bürgerrechtsbewegungen / 1968er erschien ‚Coloured‘ nun als half-arsed, nicht aussagekräftig genug und Weißen gegenüber als zu unterwürfig-anpassend – zudem erinnerte es ungut an die gehobene Position der oft durch Vergewaltigungen gezeugten Kinder von Sklavinnen und Kolonialherren, die später als ‚Mulatto‘ eine eigene Gesellschaftsschicht und Kultur schufen – allerdings eben stark angelehnt an die der weißen Kolonialisten, teils mit kulturellen bzw. modischen Zitaten aus dem Barock (vgl. bes. Haiti nach der Unabhängigkeit) und politisch-kulturell gesehen unter Schwarzen – den wesentlich stärker Diskriminierten – als Verräter galten. „Passing as white“ ist bis heute eine Verunglimpfung.
‚Negro‘ als positive Konnotation und konkrete Forderung ging von einem der führenden Köpfe der ersten Bürgerrechtsbewegungen aus: dem civil rights activist und African American W. E. B. Du Bois (1868-1963). Wird das Wort also in den 1920ern – 40ern verwendet, ist es im Grunde der einzige politisch korrekte Begriff im antirassistischen und antikolonialistischen Sinne.
Wie das zu Lovecrafts sonstiger Haltung passt? Keine Ahnung, vielleicht gar nicht. Aber man muss feststellen, dass er mit ‚Negro‘ – absichtlich oder zufällig – eben ironischerweise gerade keinen rassistischen Begriff verwendete.
Einen kleinen Einblick in die wandelbaren self-definitions der schwarzen Bewegung(en) könnte diese Seite geben: https://www.ferris.edu/HTMLS/news/jimcrow/question/2010/october.htm
29. Januar 2023 um 20:56 Uhr
Bssssss
Bsssssssssss
Bsssssssssssssss
Pieks!
Danke für die neue Folge!
Hazel Heald und H. P. Lovecraft
Flügel des Todes
Gelesen von Gregor Schweitzer (GM-Factory)
https://www.youtube.com/watch?v=Px-3Y3z42TM
Die Weird Tales Ausgabe digitalisiert gibt es hier zum Download:
https://archive.org/details/Weird_Tales_v23n03_1934-03_sas
Und auch an dieser Stelle: Gratulation zum Jubiläum!
Und bitte weiter so! 🙂
Ich höre jede Folge immer gleich mehrfach hintereinander an.
Greetings
Funduke
30. Januar 2023 um 17:24 Uhr
„Winzige griechische Buchstaben. Vielleicht von einer Ameise mit Tinte an den Füßen?“
– Bruder William von Baskerville, ‚Der Name der Rose‘ (1986)
Vorab: Frohes neues Aeon, werte Insiders.
Ihr beide gemeinsam trefft hier exakt den Punkt, zumindest entsprechend meiner eigenen Empfindung nach: An sich ist die Prämisse von ‚The Winged Death‘ grandios, aber leider etwas zu überladen und zu eindeutig, insbesondere durch die überdeutliche Botschaft am Ende. Ein mehr psychologischer, weniger fantastischer Ansatz hätte das eventuell geändert.
Wäre es im Dunklen geblieben, ob es sich nun wirklich um Dr. Slauenwite im Körper einer seelenraubenden Teufelsfliege handelt, der gnadenlose Rache übt und mit Todesomen nur so um sich schmeißt, oder doch nur um die Paranoia Dr. Moores, welche einen Mörder in den Wahnsinn und schließlich in den Tod treibt, die Spannung wäre weit intensiver gewesen und auch die Vorhersehbarkeit geringer. Nichts verstört schließlich mehr, als Unsicherheit und offene Fragen, welche das eigene Unterbewusstsein mit verzerrten Schemen und Phantomen zu füllen versucht.
Naheliegenderweise muss ich an den Film ‚Die Fliege‘ (1958) denken, also die erste Verfilmung der Kurzgeschichte von George Langelaan, deren finale Spinnennetzszene (ein interessantes Wort, wenn man es geschrieben sieht) zu ihrer Zeit vielleicht eine respektable Schockwirkung erzielen konnte, heutzutage aber eher wie eine Selbstparodie wirkt und in der Inszenierung eine unglückliche Dissonanz verursacht.
Anbei wäre vielleicht auch interessant, ob Langelaan mit ‚The Winged Death‘ vertraut war und daraus gegebenenfalls Inspiration für sein eigenes Werk gezogen hat.
Des Weiteren kann hier ein weiteres Beispiel für unfreiwillige ‚Seelenübertragung‘ in Lovecrafts Werk zur Liste hinzugefügt werden, ein Topos, den Ihr schon in ‚Das Ding auf der Schwelle‘ diskutiert habt, wenn ich mich recht erinnere.
Abschließend würde ich mir Axels Ausspruch ‚Flora, Fauna, Heidentum‘ gerne ins Familienwappen gravieren, wenn ich denn eines hätte. Losgelöst vom Zusammenhang ist dies die treffendste und launigste Zusammenfassung meines geliebten Folk Horror Genres, die mir bislang untergekommen ist. Bin ehrlich begeistert. Besten Dank!
31. Januar 2023 um 08:43 Uhr
Ich habe zu danken, musste sehr darüber schmunzeln – so habe ich das freilich noch gar nicht gesehen. Vielleicht gründen wir ja einen Club o. ä. — und das sei dann unser Motto.
Viele Grüße
Axel
4. Februar 2023 um 18:20 Uhr
Hallo Mirko, hallo Axel, king of résumé,
heute schau ich vorbei, um einfach mal Glückwunsch und Dank für all die guten Anregungen und Vertiefungen zu sagen.
Herzlich Grüsse,
Lena
5. Februar 2023 um 09:55 Uhr
Hallo Lena,
vielen Dank — das ist schön zu hören und wie immer ein neuer Ansporn!
Herzliche Grüße
Axel
8. Februar 2023 um 14:20 Uhr
Hallo Mirko, hallo Axel,
als stiller Genießer eures wundervollen Podcast möchte ich mich anlässlich eures 10-jährigen Bestehens für die vielen Stunden puren hörvergnügens bedanken. Eure akribische, jedoch nie trocken wirkende Herangehensweise an die Person und das Werk Lovecraft hat mich von Anfang an begeistert.
Das tollste war für mich jedoch, dass ich durch euren Podcast wieder die Lust am Lesen erlangt habe. Ihr habt es geschafft, dass ich mich neu und intensiver mit den Geschichten Lovecrafts befasst habe und zusätzlich habt ihr ein Tor in die fantastischen Welten von Clark Ashton Smith, Arthur Machen und Robert E.Howard geöffnet, aus denen ich nicht mehr hinauskomme. Na herzlichen Dank dafür
Da ihr dazu aufgerufen habt Fragen zu stellen, möchte ich die Chance natürlich nutzen.
1. Hattet ihr schon vor dem Podcast ein so fundiertes Wissen über Lovecraft, oder hat sich dieses erst durch die Recherche ergeben?
2. Hat sich durch das langjährige, intensive befassen mit Lovecraft eure Meinung über die Person Lovecraft geändert?
3. Habt ihr eine favorisierte Geschichte von Lovecraft? Wenn ja welche und warum?
4. Kanntet ihr schon vor eurem Podcast die Geschichten von Dunsany, Machen, CAS, Robert E. Howard, Blackwood ?
5. Wie viel Vorarbeit steckt in einer Folge Arkham Insiders?
Nochmals Danke für eure großartige Arbeit. Ich freue mich schon auf die nächsten Folgen Arkham Insiders
Grüße
Christian B.
9. Februar 2023 um 08:41 Uhr
Hallo Christian,
wow — so viel lobende Worte; vielen Dank! Schön zu lesen, dass wir über Lovecraft hinaus Interesse für die Werke seiner Freunde und Zeitgenossen wecken konnten. So geht es wohl vielen Lovecrafter-Leserinnen und Lesern irgendwann …
Und natürlich besten Dank für die Fragen – die wir sinnigerweise im Podcast beantworten werden. Wir hören also voneinander!
Viele Grüße
die Arkham Insiders