Das Museum des Schreckens (1966), Das Museum des Terrors (1975) oder Das Grauen im Museum (1984): Unter diesen klangvollen Namen wurde unsere heutige Geschichte verschiedentlich ins Deutsche übersetzt. Sie basiert (wie so oft) auf einer losen Idee, in diesem Fall der Autorin Hazel Heald, und es war an Lovecraft, aus einer groben Storyline eine Geschichte zu stricken, die deutlich seine Handschrift trägt. So finden wir hier schon vertraute Wesen wie Cthulhu oder Yog-Sothoth erwähnt; auch Tsathoggua oder Chaugnar Faugn fristen ein Dasein als Ausstellungsstücke in jenem grauenhaften Museum, das als Handlungsort dient.
Die Forschung diskutiert die Frage, ob die Story als Selbstparodie gemeint ist. Tatsächlich wirkt es so, als habe Lovecraft keines seiner eigenen Klischees ausgelassen: den begnadeten aber verrückten Künstler/Wissenschaftler, den empfindsamen aber unerschrockenen Liebhaber des Abseitigen … und auch den hinterlistigen „Ausländer“ finden wir hier wieder. Doch Lovecraft geht noch over the top und präsentiert uns neben den schon erwähnten Entitäten eine neue monströse Gottheit: Rhan-Tegoth, ein bizarres Geschöpf aus dem Weltall, das Jahrmillionen im Eis der Arktis vor sich hindämmerte … bis ein neugieriger Mensch es auftaute und in die Zivilisation brachte …
Shownotes
Atlas Obscura: The Delicate Glass Sea Creatures of Leopold and Rudolf Blaschka
Dark Adventure Radio Theatre: The Horror in the Museum (Script, Liner Notes and more)
20. November 2022 um 19:09 Uhr
Ich freu mich über die neue Folge.
Und bin knallrot im Gesicht!
Hazel Healds & H. P. Lovecrafts „Das Grauen im Museum“
Gelesen von Gregor Schweitzer
Hörbuch der GM-Factory
https://www.youtube.com/watch?v=cP1tZq5dhGs
Digitale Archivversion der Erstveröffentlichung in Weird Tales, July 1933 (englisch):
https://archive.org/details/Weird_Tales_v22n01_1933-07_sas
Wiki-Artikel der deutschen Lovecraft-Gesellschaft
https://www.deutschelovecraftgesellschaft.de/wiki/artikel/448-horror-in-the-museum-the/
Weird Tales vom May 1934 gibt es hier in digitalisierter Form:
https://archive.org/details/Weird_Tales_v23n05_1934-05_sas
Ab Seite 654 ist der eingangs ziterte Review nachzulesen.
Greetings
Funduke
21. November 2022 um 08:28 Uhr
Wie immer: well done, Funduke! Vielen Dank und beste Grüße
Axel
21. November 2022 um 18:43 Uhr
Wer sich für Wachsfigurenkorror interessiert, soolte mal in den „Fürchten Lehren“ -Podcast reinhören.
https://anchor.fm/fuerchtenlehren
Dort gibt es viele Folgen zu dem Thema.
Greetings
Funduke
26. November 2022 um 17:49 Uhr
Dank Euch erneut für die freundlichen Worte, aber ich fege stets nur den Staub zusammen und finde hier und da noch ein übersehenes Goldkörnchen, nachdem Ihr bereits im großen Stil die literarischen Schatzkammern des lovecraftschen Horrors geplündert und in Eurem virtuellen Museum prachtvoll zur Schau gestellt habt.
Um einmal zu versuchen, den Wert, den ich Eurer Arbeit beimesse, zu umschreiben: es gibt drei Dinge, die ich beim Zeichnen mythosbezogener Bilder zur Begleitung hören mag.
Zum einen die passenden Hörbücher (z.B. von Festa und GMF).
Zum anderen entsprechende Musik, wie ich sei neulich verlinkte.
Und natürlich: Euren Podcast. Gerne auch mal ältere Folgen, korrespondierend zum Motiv.
Nun kennt man sich zwar nicht persönlich, aber seid versichert: Das sollte ein ganz großes Lob meinerseits darstellen.
Zur vorliegenden Geschichte selbst und ihrer Pulp-Eskalation habe ich unter der vorangegangenen Folge ja vorauseilend schon einiges geschrieben. Und im kommenden ‚Aus Äonen‘ wird es – meiner Meinung nach – noch turbulenter, wenn Lovecraft wirklich ALLES reinklatscht, was sein eigenes Archiv, wie auch die seiner Freunde Robert E. Howard und Clark Ashton Smith hergeben und eine Geschichte verfasst, welche die aktuelle, popkulturelle Ausschlachtung seines Werks in Film, Literatur, Rollenspiel und Comic vorweg nimmt.
Klischeehafte Figuren, Götter gegen Götter, bruchstückhafte Aufzeichnungen aus seltenen Büchern, die dennoch überall zu finden sind und sich dermaßen in hanebüchenen Details verlieren, dass sogar die Holzart eines Wanderstabs namentlich überliefert wird… Ein wahres Trivia-Schlachtfest.
Aber zwei Punkte, die Ihr zu ‚Der Schrecken im Museum‘ ansprecht, möchte ich gern noch einmal aufgreifen.
Zum einen den Charakter des Orabona.
Offenbar im Gegensatz zu Anne Pilsworth muss ich hier das genaue Gegenteil behaupten, denn die Figur des Igor (bzw. Ygor) entspricht in ihrer ersten Inkarnation, bevor sie tatsächlich bisweilen zum geistlosen Klischee herabsank, nahezu exakt dem Charakter, der uns in dieser Geschichte vorliegt.
Diese Verkörperung findet sich in dem Universal Film ‚Son of Frankenstein‘ (1939), worin der Charakter zum ersten Mal erscheint, als eine Rolle, die extra für Bela Lugosi geschrieben wurde, da Regisseur Rowland V. Lee ein großer Verehrer des Mimen, berühmt für seine Darstellung des ‚Dracula‘ war.
Lugosi, der damals in Geldsorgen steckte und sich mit Universal eigentlich überworfen hatte, dankte Lee für diese Chance mit der wohl besten schauspielerischen Leistung, die er je an den Tag gelegt hat und mit der er alle anderen Darsteller in dem Film locker an die Wand spielte.
Hierin, und noch mehr im folgenden, wenn auch bereits sehr pulpigen Film ‚The Ghost of Frankenstein‘ (1942), ist Ygor eben kein Dummkopf oder tumber Handlanger, sondern eine verschlagene, facettenreiche Gestalt mit eigenem Charakter, dramatischer Vorgeschichte und geheimen Plänen, was schließlich sogar in der Transplantation seines Gehirns aus seinem verkrüppelten Körper (als man einst versuchte ihn zu hängen, wurde ihm zwar das Genick gebrochen, aber er überlebte dies schwer verstümmelt) in den übermenschlichen ‚Golem‘ Frankensteins gipfelt.
Diese Gestalt des zwielichtigen Assistenten oder der generellen Nebenfigur, hinter der mehr steckt, als man denkt, kommt ja gerade im Horrorgenre immer wieder vor. Vom oben genannten Ur-Ygor, über zahllose holprige Einsätze im C-Movie Horror – wie beispielsweise dem ungeschickt benannten Assistent Tanga in ‚The Woman Eater‘ (1958) – bis hin zu gänzlich mysteriösen Entitäten, wie dem unheimlichen Landstreicher aus ‚Hellraiser‘ (1987).
In ‚Victor Frankenstein‘ (2016), wird die wohlbekannte Geschichte dann sogar komplett aus der Perspektive des Assistenten Igor heraus erzählt, dessen Rolle Daniel Radcliffe spielt. Allerdings halte ich persönlich den Film zwar für einen sehr interessanten Ansatz, qualitativ aber leider nicht besonders gelungen.
Wie dem auch sei, Orabona speziell könnte gar eine Gestalt aus der Feder Robert E. Howards sein. Denn offenbar hat er es ja geschafft, Rhan-Tegoth mindestens zu bannen, wenn nicht gar zu töten, um ihn als scheinbare Wachsfigur präsentieren zu können, und sich damit auf die Stufe barbarischer Gottesmörder erhoben, wie man sie bei Howard, nicht nur in der Figur des Conan, immer wieder antrifft.
Der andere Punkt ist der Schauplatz Neuengland und Lovecrafts sensibler Umgang hiermit.
Denn während er außerhalb seines gelobten Landes das feine Gewebe sorgfältiger Geschichtskonstruktion oftmals gegen einen, mit dem Knüppel gestrickten Stil vertauscht, wie ihr so treffend ausführt, wird er umgekehrt sofort wieder feinfühlig, sobald sich eine Kollaboration den Grenzen seiner Heimat nähert.
Als – zugegeben, extrem subjektiv bewertete – Beispiele möchte ich ‚Das Tagebuch des Alonzo Typer‘ (1938) mit William Lumley nennen, das zwar ’nur‘ im Staate New York spielt, sich inhaltlich und von der Stimmung und Qualität her aber bereits an solitäre Lovecraftiana wie ‚Die lauernde Furcht‘ oder ‚Jäger der Finsternis‘ annähert.
Ebenso ist die, bereits von Euch besprochene Geschichte ‚Der Schrecken von Martin’s Beach‘ (1922) mit Sonia H. Greene, spielend in Cloucester/MA, von einer ganz anderen Ernsthaftigkeit und schaurigen Atmosphäre geprägt, als die vorliegende Erzählung und ‚Das Nachtmeer‘ (1936) mit R.H.Barlow, welches vermutlich in Neuengland angesiedelt sein soll, ist sogar eine herausragende, erstaunlich moderne Horrorerzählung, welche in ihrer morbiden Stimmung und Wortgewalt ihresgleichen sucht.
Im Gegenzug wäre hier auch noch einmal interessant zu betrachten, wie Lovecraft andere Regionen, Länder, gar Kontinente beschreibt, wenn er sie in seine Geschichten einbaut. Von der generischen Umschreibung Irlands oder Englands in ‚Das Mondmoor‘ und ‚Die Ratten im Gemäuer‘ bis hin zum pittoresken Reiseführerstil in ‚Gefangen bei den Pharaonen‘, der einen Karl May verschämt erröten lassen würde. Vielleicht ein Thema für eine zukünftige Folge?
Nochmals besten Dank und ebensolche Grüße,
Nils
26. November 2022 um 22:30 Uhr
PS
Besten Dank für den Tip mit den Glasskulpturen der Blaschkas. Da kommt man wirklich arg ins Schwelgen.
27. November 2022 um 19:51 Uhr
Nils B. hat wieder die Lust am Suchen in mir geweckt. Danke dafür. 🙂
Den Orabona – Igor -Vergleich von Frau Pillsworth findet man hier:
The Lovecraft Reread
Buffy Meets the Mythos? “The Horror in the Museum”
Ruthanna Emrys and Anne M. Pillsworth
https://www.tor.com/2015/03/24/buffy-meets-the-mythos-the-horror-in-the-museum/
… Und hier noch zwei der von Nils B. angesprochenen Texte zum Hören:
H. P. Lovecraft (als Ghostwriter von William Lumley):
Das Tagebuch des Alonzo Typer
[Hörbuch, deutsch]
Eine Produktion der GM-Factory
Gelesen von Gregor Schweitzer
https://www.youtube.com/watch?v=JIx_YkwNp7Q
Hörbuch von Robert H. Barlow’s und H. P. Lovecraft’s
„Das Nachtmeer“
Eine Produktion der GM-Factory
Gelesen von Gregor Schweitzer
https://www.youtube.com/watch?v=XPiwpVsbF5M
Greetings
Funduke