„Eine Frau, über die ich fast nichts weiß“ bekennt S. T. Joshi, wenn es um Lovecrafts Kollegin Hazel Heald (1896 – 1961) geht. Immerhin sind 5 Geschichten bekannt, die auf das gemeinsame Konto gehen, wovon The Horror in the Museum (1935) vielleicht die bekannteste ist.
An dieser Stelle widmen wir uns jedoch The Man of Stone, eine recht einfach gestrickte Rache-Story, die nach hinten losgeht und erstmals 1932 gedruckt wurde. Am interessantesten ist vielleicht das Vorkommen eines düsteren Möchtegern-Hexers sowie einige Versatzstücke aus dem Cthulhu-Mythos. Lovecraft bringt hier nämlich neben seinen eigenen Erfindungen wie „Shub-Niggurath, die schwarze Ziege der Wälder“ oder „R’lyeh“ ebenso Elemente von Clark Ashton Smith unter, namentlich das „Book of Eibon“, aber auch Smith göttergleiches Wesen „Tsathoggua“.
6. November 2022 um 23:04 Uhr
Hallo.
Vielen Dank für die schöne neue Folge!
Die Wonder Stories -Ausgabe mit der von Axel erwähnten Illustration gibt es hier:
https://archive.org/details/Wonder_Stories_v04n05_1932-10_-bc
zum herunterladen.
Für die Audiophilen die Hörfassung:
Hazel Heald & H.P. Lovecrafts „Der Mann aus Stein“
Eine Produktion der GM-Factory
Gelesen von Gregor Schweitzer
https://www.youtube.com/watch?v=5PaHmpdVGUU
Der Versteinerungseffekt kommt mir aus
Robert W. Chambers: Die Maske
bekannt vor, hier in der Hörfassung von GMFactory,
gelesen von Gregor Schweitzer zu geniessen:
https://www.youtube.com/watch?v=2kn_BJ2abMQ
Die Geschichte ist Teil des Buches „Der König in Gelb“
(“ https://www.festa-verlag.de/der-koenig-in-gelb.html „),
das Lovecraft auch sehr geschätzt haben soll.
Greetings
Funduke
7. November 2022 um 18:11 Uhr
Hallo Funduke,
vielen Dank für die ergänzenden Links, klasse!
Viele Grüße
Axel
6. November 2022 um 23:54 Uhr
Hallo, wie immer super und danke für die Verweise.
Der fiktive Regisseur ist „Alan Smithee“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Alan_Smithee), nicht John Doe.
LG Soenke
6. November 2022 um 23:59 Uhr
Hier teile ich tatsächlich mal nicht Mirkos Meinung, finde die zweite Hälfte und die Geschichte an sich ziemlich gut, vor allem beim ersten Mal hören.
Die Szene wie die Frau auf dem Dachboden vor sich hin vegetiert, dem Mann zuhört und wartet ist gut geschrieben und durchaus atmosphärisch. Diese klaustrophobisch, bedrückende Atmosphäre kann Lovecraft generell sehr gut, siehe „Die Namenlose Stadt“ oder „Berge des Wahnsinns“. Sogar ein bisschen der bitteren Romantik kam rüber, wenn der Plot auch sicherlich nicht weltbewegend ist. Kann aber auch alles an der super GM Factory liegen.
7. November 2022 um 17:57 Uhr
Wie schon vor kurzem erwähnt finde ich es faszinierend, wie sehr Lovecraft selbst seine eigenen Schöpfungen (sowie auch die seiner Freunde und Protegés) bereits literarisch ‚ausgeschlachtet‘ zu haben scheint. Etwas, das mir ganz besonders in den Kollaborationen mit Hazel Heald auffällt.
In seinen eigenen Geschichten neigt der Gute bisweilen zu einer absurden Ernsthaftigkeit, wenn die bruchstückhaften Enthüllungen zusammengefügt werden. Der meist einsame Protagonist deckt widerwillig ein Geheimnis auf, welches zwar von unfassbarem Einfluss ist, der Menschheit aber nahezu unbekannt (siehe das Standardbeispiel ‚Der Ruf des Cthulhu‘, aber auch ‚Der Schatten über Innsmouth‘ oder ‚Stadt ohne Namen‘) und welches ihn letztendlich vernichten wird.
Dabei werden Gestalt und Umrisse des Grauens bekanntermaßen nur vage umschrieben, da der ungefilterte Anblick den unglücklichen Betrachter bereits den Verstand kosten würde.
Auf dieser schattenhaften, diffusen Präsentation beruht letztlich ein Gutteil der Wirkung dieser Erzählungen. Das namenlose, unsichtbare, kosmische Grauen, welches stets über der ahnungslosen Menschheit lauert, stets bereit, die Welt in den Abgrund zu stoßen.
In Healds Gegenwart jedoch fallen alle Schranken und der pure Pulp bricht sich Bahn.
In der vorliegenden Erzählung wird ja bereits freimütig das ‚Buch von Eibon‘ rezitiert und Shub-Niggurath sowie Tsathoggua geben sich, zumindest als Namensnennung, ein Stelldichein.
Im kommenden ‚Der Schrecken im Museum‘ stehen die Abbilder aller möglichen Mythosgötter fröhlich im Wachsfigurenkabinett herum wie gigantische Pokemon des Grauens und Cthulhus Tentakeln wackeln lustig im leisen Luftzug.
Zudem scheinen diese Geschöpfe jedem halbwegs geneigten Besucher bekannt zu sein und diesem allenfalls noch einen wohligen Schauer über den Rücken rieseln zu lassen, statt ihn unverbindlich in den Wahnsinn zu treiben.
In ‚Aus Äonen‘ wird es dann schon abstrus, wenn die Wiedererweckung einer Mumie und der minutiös notierte Kult um einen Großen Alten quasi zum Medienspektakel mutieren und offenbar in allen Zeitungen Schlagzeilen machen, während sich die exotischsten Kultisten die Klinke in die Hand geben, welche allesamt polizeibekannt sind, für irgendwelche grausamen Ritualhandlungen.
Es scheint so, als nähme Lovecraft hier bereits den aktuellen Rummel um sein Werk vorweg, da es mittlerweile ja schon fast zur Allgemeinbildung (bzw. allgemeinen Halbbildung) gehört, sobald irgendein Monster mit Tentakeln in einem Comic oder Film auftaucht wissend zu nicken, und ein ‚Ach guck, Cthulhu‘ zu befinden.
Man möchte fast meinen, dass er diese Zusammenarbeiten mit Heald auch in gewisser Weise als Ventil nutzte, um sich und das Genre selbt ein wenig durch den Kakao zu ziehen, je nachdem, wie viel Narrenfreiheit seine Auftraggeber ihm gewährten.
Ein anderes Thema, welches mir aktuell durch den Kopf geht, da gerade Guillermo del Toros ‚Cabinet of Curiosities‘ auf Netflix lief, ist eben der rezente (und oftmals unreflektierte) Lovecraft-Hype.
Neben der bereits erwähnten, schmerzhaft vereinfachenden Formel ‚Tentakel = kosmischer Horror‘ schmückt sich vieles mit dem Etikett ‚HPL‘, was dieses gar nicht verdient.
Natürlich gibt es diverse moderne Werke, die Versatzstücke aus dem Mythos geschickt und originell verwenden (z.B. Mike Mignolas ‚Hellboy‘-Comics), aber allzu oft scheint das Wichtigste zu sein, dass am Ende ein schleimiges Monster im Keller mit den Fangarmen wackelt.
Auch wird, vor allem in Filmen, der subversive ‚Schrecken des Geistes‘ durch platten Splatter ersetzt, was sich zwar teilweise seinen eigenen Kultstatus geschaffen hat (siehe die ‚Re-Animator‘-Reihe), sich damit jedoch leider sämtlicher Stimmung des Originals entledigt.
Die bisher schönste und subtilste Lovecraft-Anspielung möchte ich der Horrorkomödie ‚Slither‘ zusprechen. Diese ist zwar ein glitschiges Bodyhorror-Schlachtfest, jedoch mit sehr guten Schauspielern besetzt (Nathan Fillion und Michael Rooker) und viel schwarzem Humor inszeniert.
Und obwohl die Geschichte deutlich bei ‚Die Farbe aus dem All‘ und ‚Das Grauen von Dunwich‘ plündert, geht sie an keiner Stelle mit der Lovecraft-Medaille hausieren. Stattdessen beschränkt man sich ganz zu Beginn auf ein einziges Augenzwinkern, wenn sich zwei Polizisten über einen nächtens vorbeifliegenden Ziegenmelker wundern. Das ist mal ein echter Insider.
7. November 2022 um 18:11 Uhr
Oho – da greifst Du ja schon in die nahe Zukunft, Nils. Ich freue mich jedenfalls auf die Story, die ich nur noch nebulös erinnere – es wird Zeit für einen re-read.
Hört sich gut an, danke für den Hinweis!
Viele Grüße
Axel
7. November 2022 um 20:49 Uhr
„Oho – da greifst Du ja schon in die nahe Zukunft, Nils.“
Pardon, da ist es eventuell mit mir durchgegangen. War nicht böse gemeint.
8. November 2022 um 09:07 Uhr
Macht gar nichts, das wird ja unsere nächste Story sein. Kann man sich schon mal drauf vorbereiten.
13. November 2022 um 03:37 Uhr
Dann bin ich beruhigt.
Es ist ja auch nicht so, dass diese ‚pulpigeren‘ Geschichten nicht auch ihren ganz eigenen Charme hätten.
Allein, es sind halt nicht diese Geschichten, die mich als Zwölfjährigen nachts haben erschreckt aus dem Schlaf hochfahren lassen, weil meine Träume irgendein am Tage überlesenes Detail mit düsterer Wucht aus meinem Unterbewusstsein wieder herauf gespült hatten.
9. April 2023 um 16:20 Uhr
Habe die Folge jetzt erst gehört, nachdem ich es endlich geschafft habe, die Geschichte einmal zu lesen. Ich kann eure Einschätzung verstehen, aber sie nicht teilen. Auf mich hat die Geschichte vor allem in der zweiten Hälfte gewirkt, der Anfang hat mich mit seiner Namenskaskade und den verschiedenen Beziehungen untereinander etwas verwirrt. Das Ende dagegen hat auf mich einen regelrechten Sog ausgeübt und ich fand es spannend, dass es hier gerade eine Frau ist, die den Spieß umdreht und sich Handlungsmacht erobert, was mir sonst in Lovecrafts Geschichten nicht begegnet ist.
Was ich zudem bemerkenswert fand, waren die Ortsnamen, mein Favorit ist hier Rensselaerwyck. Der Name wirkt so, als würde sich da irgendeine Anspielung oder Geschichte dahinter verbergen, weil er so offensichtlich fiktiv ist.
Etwas grotesk, aber auch interessant fand ich die Beziehung zwischen Jack und Ben, die als so eng und bedingungslos am Anfang mit wenigen Worten gesetzt wird, dass sie fast über eine Freundschaft hinauszugehen scheint bzw. die Frage aufkommt, was die beiden so stark verbindet (in anderen Texten von Lovecraft wird ja meist eine (entfernte) Verwandschaft dafür hergenommen). Diese Leerstelle kann man natürlich einfach als eine weitere Schwäche der Geschichte sehen, mir hat sie aber eigentlich gefallen.
Vielen Dank für eure Ergänzungen und Einordnungen in der Folge!
Grüße
Dustin
10. April 2023 um 06:32 Uhr
Hallo Dustin,
besten Dank für den Kommentar, — es ist immer interessant zu lesen, wie die Stories auf andere wirken. Über diesen Namen – Rensselaerwyck – hatte ich ehrlich gesagt noch gar nicht nachgedacht. Doch siehe hier, es gibt ihn:
https://en.wikipedia.org/wiki/Manor_of_Rensselaerswyck
Sicher wäre es lohnenswert, sich weiter mit diesen obskuren historischen Namen und Orten in Lovecrafts Werk auseinanderzusetzen.
Viele Grüße
Axel