Frank Belknap Longs Das Grauen aus den Bergen (The Horror from the Hills) bereichert den Cthulhu-Mythos um den dämonischen Elefantengott Chaugnar Faugn. Etwaige Überschneidungen zwischen diesem und Cthulhu sind natürlich beabsichtigt – und können als Longs Würdigung seines Freundes und Mentors H. P. Lovecraft gesehen werden. Dieser hatte denn auch bei der vorliegenden Story ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Zum einen enthält nämlich Das Grauen aus den Bergen einige gedankenvolle Abhandlungen über Natur- und Kulturwissenschaften, wie wir sie auch von Lovecraft kennen. Zum anderen hatte er Long gestattet, wortwörtlich einen seiner Träume an zentraler Stelle in die Story einzubauen: den sogenannten Römischen Traum, den wir bereits mehrfach bei den Arkham Insiders erwähnten.
Trotz dieser interessanten Vorbedingungen hält sich die Begeisterung für die (recht lange) Erzählung in Grenzen. Sie wirkt teilweise bemüht und umständlich, dann wieder liefert sie gängige Pulp-Kost, die dem theoretischen Background nicht gerecht werden kann. Nichtsdestotrotz stellt The Horror from the Hills ein interessantes Beispiel für einen frühen Beitrag zum Cthulhu-Mythos statt, der nicht von Lovecraft selbst stammte, aber noch von diesem zu Lebzeiten abgesegnet wurde.
Shownotes
- Frank Belknap Long bei den Arkham Insiders (1)
- Frank Belknap Long bei den Arkham Insiders (2)
- Die Arkham Insiders Folge über Lovecrafts Materialismus (mit Erwähnung von Ernst Haeckel)
- Der Arkham Insiders Podcast zu The Very Old Folk (Das uralte Volk)
- Cthulhu Files: Frank Belknap Long: When Chaugnar Wakes
9. Oktober 2022 um 21:39 Uhr
Hallo.
Vielen Dank für den neuen Podcast.
Ich bin aufgerufen worden, meinen Horizont zu erweitern.
Von Beutekunst habe ich in der Vergangenheit ein paarmal mit halber Aufmerksamkeit, erst kürzlich in Bezug aif die Juwelen in der Krone der verstorbenen Königin von England gehört.
Meines *bisherigen* Wissens (ich bin aber kein Historiker) war bei den US-Amerikanern was das Erbeuten/Klauen von Kunst und Kulturgütern nicht viel los. Die schienen sich in meinen Augen in der Beziehung eher als die Guten zu sehen, daher auch so ein Film wie „Monuments men“ ( https://de.wikipedia.org/wiki/Monuments_Men_%E2%80%93_Ungew%C3%B6hnliche_Helden ).
Also musste ich mich mal rasch schlau machen.
Die Worte
museen geraubte kulturgüter
ergeben bei Google massig Treffer:
https://www.google.com/search?channel=fs&client=ubuntu&q=museen+geraubte+kulturg%C3%BCter
Dabei geht es aber immer nur um Kulturgüter, die von Kolonialmächten von ihren Kolonien entwendet wurden.
In der Geschichte von Frank Belknap Long geht es aber doch wohl um Amerikaner.
Und die kann man ja, glaube ich, nicht als Kolonialmächte bezeichnen.
Daher habe ich meine Suche modifiziert und
von us-amerika geraubte kunstschätze
bei Google gesucht.
https://www.google.com/search?q=von+us-amerika+geraubte+kunstsch%C3%A4tze&client=ubuntu&hs=Nhf&channel=fs&ei=JRxDY5rzAZ-L9u8Po-2cuAE&ved=0ahUKEwjamdCh7NP6AhWfhf0HHaM2BxcQ4dUDCA0&uact=5&oq=von+us-amerika+geraubte+kunstsch%C3%A4tze&gs_lcp=Cgdnd3Mtd2l6EAMyBQgAEKIEMgUIABCiBDIHCAAQHhCiBDIHCAAQHhCiBDIFCAAQogQ6CAgAEKIEELADOgoIABAeEKIEELADSgQIQRgBSgQIRhgAUNRSWLZgYLtjaANwAHgAgAG_AYgBoQOSAQMxLjKYAQCgAQHIAQTAAQE&sclient=gws-wiz
Das Ergebnis: Jawoll, auch die Amis haben in der Vergangenheit Kunst und Kultur geklaut. Gleich auf der ersten Trefferseite ging es u.a. um Italien und Irak (Gilgamesch-Tafel), auf der zweiten Trefferseite auch z.B. Ägypten.
https://www.geo.de/wissen/geraubte-kunst–usa-geben-gilgamesch-tafel-an-irak-zurueck-30767948.html.
https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/usa-rueckgabe-altaegyptische-kunst-schaetze-100.html
Mit anderen Worten: Alle mach(t)en es.
Alle haben irgendwo Dreck am Stecken.
Greetings
Funduke
9. Oktober 2022 um 21:50 Uhr
Hier noch ein Info-Artikel. Am Ende auch eine Liste seiner Geschichten, mit Hinweisen in welchen Anthologien einzelne deutsche Übersetzungen zu finden sind.
https://dewiki.de/Lexikon/Frank_Belknap_Long
Greetings
Funduke
9. Oktober 2022 um 22:19 Uhr
Das Grauen aus den Bergen gibt es auf deutsch als ebook zusammen mit anderen Geschichten meines Namensvetters bei FESTA.
https://www.festa-verlag.de/das-grauen-aus-den-bergen-1498.html
Die papierne Version ist vergriffen. Gibt es als superteures Sammlerstück bei ebay und Konsorten.
Eine deutsche Lesung/Hörbuch habe ich auch nicht gefunden, dafür aber ein paar andere Sachen des Autors.
Die Hunde des Tindalos (Hörbuch) Let’s Read Cthulhu-Mythos #27
https://www.youtube.com/watch?v=SgBGX-QYodQ
Die Weltraumfresser (Hörbuch
https://www.youtube.com/watch?v=WiSvLKXXtao
Hörbuch von C. L. Moore’s, Abraham Merritt’s, Robert E. Howard’s, Frank Belknap Long’s und H. P. Lovecraft’s „Die Bedrohung aus dem Weltraum“
https://www.youtube.com/watch?v=5S_cHqO46kQ
Greetings
Funduke
… Ich denke immer, ich muss jetzt so lansam mal ins Bett, und dann fällt mir noch ein Infoschnippsel ein. Echt disziplinlos! :/
9. Oktober 2022 um 23:30 Uhr
Ich vermute, alle Autoren, die einstmals enthusiastisch H. P. Lovecraft nacheifern wollten, auch jene, aus denen später ernstzunehmende Größen des Genres geworden sind, haben mindestens ein Manuskript im Giftschrank, das nichts weiter ist als eine belustigend lausige Kopie von ‚Der Ruf des Cthulhu‘. Kann mich da selbst nicht freisprechen.
Die Blaupausen, welche mit der genannten Geschichte und auch ‚Das Grauen von Dunwich‘ vorgelegt wurden, fallen in der Hommage allzu oft dem zum Opfer, was ich schon einmal als ‚John-Sinclairisierung‘ bezeichnet habe und was auch Ihr umschriebt. Unfreiwillig komische ‚Deus ex Machina‘-Momente, fehlende Gravitas der angeblich ‚ultimativen Bedrohung‘, ein eklatanter Mangel an Prüfung und Opfer auf der Heldenreise und immer ist die passende Waffe griffbereit.
Zur Verdeutlichung: In ‚Der Ruf des Cthulhu‘ beispielsweise mäandert der Erzähler durch einen sich langsam aber stetig lichtenden Sumpf aus Andeutungen, verwirrenden Träumen, Polizeiberichten und Kultistengestammel, um schließlich die schreckliche, unabwendbare Wahrheit zu entdecken und ob dieser zu resignieren, ohne auch nur den Hauch einer Chance gegen das sich auftürmende Unheil zu haben. Kein Happy End, kein Sieg des ‚Guten‘. Nur niederschmetternde Erkenntnis und Verzweiflung über die Bedeutungslosigkeit der menschlichen Existenz an sich. Die literarische Definition Kosmischen Grauens.
In ‚Das Grauen von Dunwich‘ gibt es zwar am Ende ein magisches Duell und sogar eine Überwindung des Schreckens, aber dies alles will hart verdient und erkämpft sein. Geheimschriften müssen entschlüsselt, Zusammenhänge hergestellt und Gegenformeln gefunden werden, was den guten Professor Armitage vor Erschöpfung an den Rand des Todes führt. Ganz zu schweigen vom Blutzoll, denn die örtliche Landbevölkerung zahlen muss.
Lovecraft gelingt in seinen besten Geschichten das Kunststück, den Leser von einem verwirrenden Informationsfragment zum anderen stolpern, und dennoch langsam begreifen zu lassen, worum es geht. Eine anfangs diffuse Bedrohung wird dabei zu einem erdrückenden Grauen verdichtet und eine nahezu perfekte Immersion entsteht, weil der Leser die verbleibenden ‚Zwischenräume‘ unbewusst mit dem auffüllt, was er selbst an eigenen Eindrücken und Ängsten mitbringt.
In durch Lovecraft inspirierte oder co-editierte Geschichten wie der vorliegenden oder beispielsweise ‚Aus Äonen‘ (mit Hazel Heald) und ‚Der Baum auf dem Hügel‘ (mit Duane W. Rimel) findet sich hingegen mal ein ominöses Manuskript, das wortreich und detailliert in einem Rutsch erklärt, was Sache ist und – noch besser – was man dagegen tun kann. Oder irgendein Charakter offenbart plötzlich völlig unverdientes, arkanes Wissen um ein mächtiges Artefakt oder hat praktischerweise bereits eine Maschine im Labor, welche die Sache effektiv regelt.
Auch wird sich gern in den ermüdenden, pseudowissenschaftlichen Abhandlungen verloren, wie Ihr feststelltet, die Lovecraft so effektiv zu verstümmeln und häppchenweise zu verfüttern wusste. Mirko hat hier meiner Meinung nach definitiv recht, dass ‚Das Grauen aus den Bergen‘ etwas Kürzung gut getan hätte. Und gerade in Bezug auf die vorliegende Erzählung möchte ich ganz subjektiv anmerken: Rüsselnase und Lappenohren sind bestimmt nicht angenehm, aber die Vorstellung dieser Entstellungen hat doch eher etwas von einem Fluch aus dem Fantasygenre oder gar dem Bereich des Kindermärchens und kommt unfreiwillig komisch daher.
Zuletzt wird oft der Fehler gemacht, die dämonischen Mächte und Entitäten in Pantheons und Hierarchien hineinzuzwängen, sie beispielsweise den Elementen zuzuordnen, wie es bereits August Derleth tat. Aber sobald man ihn auf diese Weise übersichtlich macht, ihm eine Ordnung nach menschlicher Moralvorstellung aufoktroyiert und sogar noch die jeweils passenden Gegenmaßnahmen für den Fall der Fälle mitliefert, wird der einst formlose Schrecken greifbar, berechenbar und verliert so das ominöse Grauen der ‚Unnennbarkeit‘. Robert E. Howard und Clark Ashton Smith haben dies ebenfalls verstanden. Viele andere nicht.
Allerdings hat mancher Autor nach solch holprigen Fingerübungen seine eigene Sprache und seinen eigenen Rhythmus gefunden. Als Beispiel nenne ich gerne Ramsey Campbell und freue mich schon auf Eure Behandlung von Belknap Longs ‚Die Hunde des Tindalos‘.
Was die Sache mit den Raubgräbern angeht, so habe ich hierzu einen Freund gefragt, der selber Archäologe ist.
Laut ihm war noch bis tief in die 1920er Jahre hinein die junge Archäologie nicht nur Betätigungsfeld seriöser Wissenschaftler, sondern eher Spielplatz von Abenteurern und Schatzsuchern. Er erinnerte sich zum Beispiel an einen Zeitgenossen Howard Carters (Name war ihm leider entfallen), der im Gegensatz zu seinem Kollegen ägyptische Gräber einfach aufsprengte und Hieroglyphentafeln als Rampe für seine Schubkarren benutzte.
Diese Menschen waren an spektakulären, wertvollen Stücken interessiert, die sich teuer verkaufen ließen, nicht an der Erforschung von Fundstätten. Und besagte Museen waren willige Abnehmer. Eigene Abteilungen solcher Grab- und Tempelräuber wird man sich wohl nicht gehalten haben, aber man kannte seine Pappenheimer und wusste, wer Qualität liefert und war dementsprechend vernetzt. Und dabei wurde definitiv nicht übermäßig Wert darauf gelegt, ob bei der Beschaffung denn auch alles legal vor sich gegangen war. Schließlich sahen sich auch die Museen unter Druck, mit immer neuen Sensationsfunden das Publikum zu locken. In soweit hat das Indiana Jones Narrativ hier schon seine Berechtigung.
Eine andere Sache ist noch die massenhafte Ausfuhr (sprich: der Raub) von Kunst und Kulturgütern aus Kolonialländern, da die entsprechende Kolonialmacht diese eh als ihr Eigentum betrachtete. Das Britische Museum steht hier schon lange in der Kritik und aktuell scheint man sogar in eine heiße Phase der Rückforderungen einzutreten, wie die Fachpresse vermeldet.
11. Oktober 2022 um 23:45 Uhr
Ein spätes PS:
Bei aller Kritik muss man aber zugeben, dass Belknap Longs gerüsselte Kreatur die Fantasie stark anregt und diverse Zeichner und Skulpteure zu spannenden Interpretationen angespornt hat.
Die morbide Skurrilität des Geschöpfs ist einfach zu verführerisch, so dass auch ich einstmals meine bescheidene Feder daran versucht habe.
https://www.facebook.com/photo/?fbid=1237835803092320&set=a.225604270982150
12. Oktober 2022 um 06:39 Uhr
Sehr cool! Vor allem die Löcher in den Ohren sowie die klumpigen Extremitäten sind gut getroffen!
23. Oktober 2022 um 19:52 Uhr
Howard und Frank waren in „Die Weltraumfresser“ fiktive Gegenstücke zu Lovecraft und Long.
Algernon könnte also Blackwood sein. Er war ein Zeitgenosse und sowohl Long als auch Lovecraft fanden ihn toll.
Und so sehr häufig ist der Name ja wohl auch nicht.
https://lovecraft.fandom.com/wiki/Algernon_Blackwood
.. Und dann heißt da noch jemand „Clark“. Ist das Clak Ashton Smith?
Oder sehe ich nur etwas, was ich sehen will?
8. Dezember 2022 um 05:33 Uhr
Es gibt jetzt „Das Grauen aus den Bergen“ exklusiv für Patreon-Patrone in der Audiothek bei GMFactory hier:
https://gm-productions.at/
Bin gerade im Moment am Lauschen… 🙂
Greetings
Funduke
26. Februar 2023 um 00:20 Uhr
Jetzt auch für Nicht-Patreon-Patrone frei zu hören:
Frank Belknap Long und H. P. Lovecraft :
Das Grauen aus den Bergen
Gelesen von Gregor Schweitzer (GM-Factory)
https://www.youtube.com/watch?v=CyR5htG-TsA
Greetings
Funduke