The Crawling Chaos — Diese drei Wörter kennen wir bereits als Beschreibung von Nyarlathotep, dem unheimlichen Wanderprediger und Formwandler. Die Figur selbst taucht jedoch in der vorliegenden Skizze nicht auf; wie ja berücksichtigt werden muss, dass The Crawling Chaos (dt.: Das wimmelnde Chaos, auch: das kriechende Chaos) natürlich kein reines Lovecraft-Werk ist.
Hinter der Co-Autorin Elizabeth Berkeley verbirgt sich keine andere als Winifred Virginia Jackson, mit der Lovecraft schon die merkwürdige Vision The Green Meadow verfasst hatte. Ähnlich wie in dieser wird die Handlung in The Crawling Chaos von einer Traumlogik bestimmt, deren Hergang teils Mißbilligung, teils Faszination auslöst.
Wir wagen uns nicht zu weit vor, wenn wir sagen, dass die Story insgesamt kein großer Wurf ist, – allerdings machen wir auch keinen Hehl daraus, dass uns einige ihrer Aspekt gut gefallen haben.
Shownotes
Wie Mirko feststellt, findet die Kurzgeschichte „Tiger! Tiger!“ von Rudyard Kipling Erwähnung. Hier der passende Wikipedia-Eintrag dazu:
Tiger! Tiger! (Kipling short story)
Lovecraft verwendet, als es um das Weltende geht, den griechischen Begriff „Holocaust“. Zur begrifflichen Erklärung:
Holocaust (Begriff)
Krankheiten spielen in Lovecrafts Werk keine herausragende Rolle; um so interessanter ist hier die Erwähnung einer grassierenden Seuche. Für Lovecrafter Nr. 7 hat Axel einen Artikel verfasst, der sich mit diesem Aspekt, bezogen auf die Pest, beschäftigt: „Tod in vielen Schattierungen: Die Pest im Werk H. P. Lovecrafts und in der unheimlich-phantastischen Literatur seiner Zeit“. Infos zur Ausgabe hier:
Deutsche Lovecraft Gesellschaft e. V., Lovecrafter Nr. 7+8
6. Dezember 2021 um 02:10 Uhr
Lieber Mirko, lieber Axel,
danke, dass ihr auch nach ausführlicher Besprechung des offiziellen „Kanons“ weiterhin dabei seid!
Zum Auftauchen des Tigers und zum Verweis auf Kiplings Geschichte: Leider kenne ich Kiplings Kurzgeschichte „Tiger!Tiger!“, nicht, doch dürfte schon letzterer Titel ein Verweis auf das Gedicht „The Tyger“ von WIilliam Blake (1757-1827) sein.
Die erste von insgesamt sechs Strophen lautet:
Tyger! Tyger! burning bright
In the forests. oft the night,
What immortal hand or eye
Could frame the fearful symmetry?
Ihr sagt, dass die Erzählerfigur in Lovecrafts Text auf ein antikes Vorbild verweist. Könnte dies nicht , da Lovecraft sich ja geistig im 18. Jahrhundert stark beheimatet fühlte und er deshalb wahrscheinlich mit Blake vertraut war, ein von ihm völlig beabsichtigt gestreuter humorvoller Zweifel an der Zuverlässigkeit der Erzählerfigur sein? Und könnte die Aureole nicht ein weiterer Verweis auf Blake, den Privat-Mystiker, sein, dessen malerisches Werk an Aureolen ja nicht gerade arm war?
Viele Grüße
Marcus
6. Dezember 2021 um 09:29 Uhr
Hallo Marcus,
vielen Dank für deine Anmerkung und den Hinweis auf Blake. Dieser Punkt eröffnet ja einen durchaus nicht kleinen Raum für weitere Gedankengänge, — gerade die Übereinstimmung des Ausrufs „Tyger! Tyger“/“Tiger! Tiger!“ bei Blake und Kipling ist frappierend. Und da es sich ja um ein Traumgeschehen handelt, ist natürlich jede Vermutung, jede Verknüpfung erst einmal zulässig. Dass Lovecraft einen Begriff von Blake und dessen Werk (er illustrierte zum Beispiel auch „Paradise Lost“ von Milton) hatte, ist sicher. Und dass sich irgend ein Bild von Blake in diesen Traum „hineingeschlichen“ hat – immerhin nicht auszuschließen. Wie weit man dabei jedoch von Absicht sprechen kann: nun, darüber streiten sich wohl die Geister …
Beste Grüße
Axel